Obwohl die Presse seit Jahren rauf und runter geht und wir überall mit den Schlagworten „War for Talent“ und ähnlichem bombardiert werden, haben viele Unternehmen die Zeichen der Zeit verschlafen oder nicht ernst genommen.
Nicht selten sind derzeit Stellen über einen langen Zeitraum unbesetzt. Wenn Bewerbungen reinkommen, dann solche, die nicht interessant sind oder zu viele Bewerbungen aus dem Ausland und auch hier hat der Perspektivenwechsel ganz häufig noch überhaupt nicht begonnen. Viele Unternehmen könnten ausländische Experten nicht einsetzen, aufgrund von sprachlichen Barrieren.
Woher sollen die Arbeitskräfte also kommen? Welche Möglichkeiten haben insbesondere kleinere und nicht so bekannte Unternehmen im War for Talent?
Ich glaube, der Faktor „Flexibilität“ spielt eine ganz wichtige Rolle. Und flexible sind eher kleinere als große Unternehmen. Die Talente am Markt können derzeit aus einem bunten Strauß an Angeboten auswählen. Marktgerechtes Gehalt und Standard Benefits werden in fast allen Unternehmen angeboten. Also was macht wirklich den Unterschied aus? Wo können Sie noch punkten?
Das, was einen echten Mehrwert für den Mitarbeiter schafft.
Easy, oder? Den echten Mehrwert zu kennen, bedeutet, dass ich meine Zielgruppe, meine Mitarbeiter kenne. Individuell zu entscheiden, was es braucht, um glückliche und zufriedene Mitarbeiter zu haben, ist der erste Schlüssel. Konkret bedeutet das, die Zielgruppe zu segmentieren z.B. in männlich/weiblich, in welcher Lebensphase befinden diese sich gerade – Berufseinsteiger, Familienvater oder habe ich jemanden vor mir, dessen Ziel es ist die Karriereleiter ganz nach oben zu steigen. Wie alt ist meine Zielgruppe und welche Bedürfnisse stehen im Vordergrund?
Fragen Sie Ihre Mitarbeiter und zukünftige Mitarbeiter, was Sie dazu beitragen können, damit die Bedürfnisse erfüllt werden. Sie dürfen ab heute den Bewerber oder die Bewerberin als Kunden sehen. Ja – als Kunden und ich möchte Ihnen gerne dazu ein bildliches Beispiel geben:
Sie sind Autoverkäufer und eine junge Frau Anfang zwanzig möchte ein Auto kaufen. Sie haben bestimmt sofort im Kopf eine gewisse Vorstellung. Fahranfängerin, erstes eigenes Auto, Spritztouren mit Freunden, einen kleinen Stadtflitzer, mit dem man immer einen Parkplatz findet usw. Sie gehen gedanklich schon ihr Angebot durch, was Sie ihrer Kundin zeigen möchten. Natürlich erkundigen Sie sich im Verkaufsgespräch noch nach besonderen Wünschen und Bedürfnissen, wie eine Sitzheizung oder wie viel PS das neue Gefährt haben soll, die Wagenfarbe und natürlich noch weitere Details. Sie möchten, dass diese Kundin ein Auto bei Ihnen kauft und möglichst lange glücklich mit ihrer Wahl ist, damit sie sich beim nächsten Autokauf auch wieder für Sie entscheidet.
Den Bewerber(in) als Kunden sehen.
Dieses Beispiel zeigt ganz einfach, wie Sie Ihr nächstes Bewerbungsgespräch führen sollten. Sie möchten , dass Talent für Sie arbeitet und möglichst lange in Ihrem Unternehmen verweilt und zufrieden ist. Nutzen Sie den Vorteil, wenn Sie flexibel und individuell auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter eingehen können und erfüllen Sie die Bedürfnisse so gut es geht. Und gehen Sie auch neue Wege und probieren sie einfach mal aus, ob es möglich ist, das ein Mitarbeiter bereits um 6:00 Uhr anfängt, weil er Mittags zuhause bei den Kindern sein möchte und ein anderer Mitarbeiter erst um 10:00 Uhr, weil er morgens schon sein Sportprogramm absolvieren möchte, um frisch und motiviert in den Tag zu starten.
Die heutigen Bedingungen schaffen so viele Möglichkeiten für Flexibilität und Freiraum, warum wird es so wenig genutzt? Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, dass Wertschätzung und Anerkennung der individuellen Bedürfnisse dazu führen, die Loyalität und Motivation von Mitarbeitern zu steigern. Und wie das mit Ihrem Unternehmenserfolg zusammenhängt, können Sie sich bestimmt vorstellen.
Ich würde mich sehr freuen, wenn ich Ihnen für das nächste Bewerbungsgespräch oder vielleicht auch für das jährliche Beurteilungsgespräch eine Inspiration war und sie demnächst Fragen stellen wie „Lieber eine 5 oder 4 Tage Woche“? oder „Ich sehe soziales Engagement spielt eine große Rolle in ihrem Leben, wie können wir Sie dabei unterstützen, das Sie sich neben ihrer Arbeit weiterhin dieser Rolle widmen können?“
Christiane Roghmans
Für die bessere Lesbarkeit des Textes wird auf die Verwendung geschlechtsspezifischer Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten für alle Geschlechter.